Es ist noch gar nicht so lange her, dass das Fliegen romantisch war. Keine kampfbereiten Security-Drohnen. Keine Röntgen-Automaten und keine maliziösen Einwanderungsverhinderungsoffiziere. Dafür durfte man als Reisender noch einen Koffer mitnehmen, ohne abgezockt zu werden. Ich kann mich tatsächlich an diese Zeiten erinnern. Einmal saß ich in einer DC 10, ein Fensterplatz. Der Sonnenuntergang wollte nicht enden. Für die richtige Mischung beim Gin-Tonic bekam man gleich zwei kleine Flaschen Alkohol verabreicht. Der Gast sollte sich ja wohlfühlen. Ich konnte damals sogar ein Zigarettchen rauchen ohne von Volkserziehern mit dem Rang eines Studienrats angeblafft oder gar von uniformierten Misanthropen verhaftet zu werden. Heute hingegen warte ich täglich auf die Einführung der 0,05-Literflasche Bier. Damit die Airlines den Spagat schaffen, dem Kunden vorzugaukeln es gebe so etwas wie Service an Bord, gleichzeitig aber die Kostenschraube weiter energisch angezogen werden kann. Das hier soll allerdings keine übellaunige Kapitalismuskritik sein. Vielmehr scheint mir diese kleine Bestandsaufnahme eine angebrachte Einführung zu einem kleinem Kapitel Reisefreude, die ich in Kanada erleben durfte. Ich traute meinen Ohren nicht, als ich am Flughafen von Whitehorse in Yukon mit einigen Sonderregeln der Fluggesellschaft Air North vertraut gemacht wurde. Das ging ungefähr so: „Hallo zusammen. Willkommen. Wenn ihr gleich zum Flieger wollt, tut mir doch den Gefallen das Gebäude durch diesen kleinen Seitenausgang zu verlassen. Das ist unser eigenes Terminal. Und falls ihr euch wundert: Bordkarten haben wir nicht. Setzt euch einfach irgendwo hin. Ach ja, und Security haben wir auch nicht. Geht einfach durch.“ Ich fand, dass das ein starkes Plädoyer ist für ein einfaches Leben, falls es so etwas gibt. Ein Leben ohne paranoide Sicherheitsfreaks mit hochroten Köpfen und einem Blutdruck von 180. Ein Leben, das Typen wie Nick führen, der an Bord der zauberhaften, propellerbetriebenen Hawker Siddeley 748 (20 Sitzplätze, maximale Reisegeschwindigkeit 402 km/H) Witze macht und dicke Muffins verteilt. Er fliegt jeden Tag von Whitehorse nach Dawson City oder an einen anderen bedeutungslosen Ort. Es ist ein Leben, das es wohl nur noch im hohen Norden gibt. Wo höchsten die Grizzlys ein wenig grimmig sein können. Und die Welt sonst noch in Ordnung ist.
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Ralf Johnen, März 2014. Der Autor war Einladung der Canadian Tourism Commission in Yukon.