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Flug ins ewige Eis: Mit der Cessna zum höchsten Berg Kanadas

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Eine einzige Maschine steht auf dem Flugplatz von Haines Junction. Doch der Business-Jet ist einsam und verlassen. Unsere Cessna, die uns in die Nähe von Kanadas höchstem Gipfel bringen wird, ist noch unterwegs.

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Wir blicken auf die Rocky Mountains. Und obwohl sich die Baumgrenze in der unteren Hälfte der Berge abzeichnet, sind es nur die Ausläufer des Gebirges, die wir von unserem Standort aus sehen. Lediglich die Spitzen sind von Schnee bedeckt.

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Es ist sonnig und windstill im Kluane National Park, einem 22 000 Quadratkilometer großen UNESCO-Weltnaturerbe, das im Südwesten des Yukon an Alaska grenzt. Trotzdem ist uns die Sache hier nicht ganz geheuer. Wir wissen um die Unberechenbarkeit der Wetterverhältnisse im Hochgebirge. Und eine Cessna ist halt nur unwesentlich schwerer als ein Schuhkarton. Auch deshalb haben wir vorab diskutiert, ob wir lieber mit vollem oder mit leerem Magen in den Hobel steigen sollen.

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Nach gut einer halben Stunde setzt der Flieger zur Landung an. Auf einer Schotterpiste, wie das hier üblich ist, wo der Winter sieben bis acht Monate dauert und die nächste Großstadt zweieinhalb Flugstunden entfernt ist – wenn man grad eine Boeing 737 zur Verfügung hat. David, der die Maschine der Whitehorse Air fliegen wird, begrüßt uns kurz. Er trägt eine brauen Cordhose und einen verschlissenen Wollpulli, sonderlich kalt also scheint es nicht zu sein, wo er uns hinbringen wird.

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Ohne salbungsvolle Worte bittet er uns drei Passagiere an Bord. “Wir können die 75-Minuten-Tour fliegen”, lautet seine Kurzdiagnose nach der letzten Runde über das ewige Eis. Also ziehen wir uns Kopfhörer auf und schnallen uns an. Wir starten in Richtung Westen. David dagt, dass er im Hochsommer, wenn es im Nordwesten Kanadas fast rund um die Uhr hell ist, zwischen sechs und acht Mal pro Tag hier unterwegs ist.

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Wir folgen zunächst dem Verlauf des Alsek River, einem noch nicht einmal 200 Jahre alten Fluss, der durch die Bewegung von Eisfeldern entstanden ist. “It’s gonna be a little bumby”, warnt uns David.

DCIM101GOPROUnd tatsächlich wackelt die Cessna gehörig. Bald fliegen wir über die Flanken von Mount Archibald, einem Wanderrevier, dessen Höhe jedoch so unbedeutend ist, dass sie gemeinhin unterschlagen wird. Immer noch ist unter uns alles weitgehend grün, so grün, dass wir ein paar Schneeziegen beim Grasen sehen.

DCIM101GOPRODie Cessna steigt immer höher, bald haben wir die Baumgrenze weit unter uns gelassen. Die Landschaft wird karg – bis wir plötzlich Eis sehen. Erst ist ein Gletscher, dann zwei – und mit ein wenig gutem Willen können wir einen dritten erkennen. Es sind gewaltige Eisstraßen, die aus unserer Perspektive aussehen wie von Menschenhand geformt.

DCIM101GOPRO“A classic shot”, lautet Davids Kommentar. Gespeist werden die Gletscher von den gewaltigen Schneemengen, die auf der Ostseite der St. Elias-Mountains niedergehen. Es ist das höchste Gebirge Kanadas, das mal zu den Rocky Mountains gezählt wird, dann wieder nicht.

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Die Gletscher fließen, ja sie arbeiten regelrecht. In ihrer Mitte transportieren sie Geröll, das von den Bergen niedergeht. In einem Zeitraum, den niemand genau einzugrenzen vermag. Es ist ein unwirklicher Anblick.

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Nun hat die Cessna ihre maximale Reiseflughöhe erreicht: 3300 Meter. Mehr geht nur mit Sauerstoffmasken. Nach einer Links-Rechts-Kombination, die bedenklich nah einem Felsmassiv entlang führt, sehen wir eine geschlossene Wolkendecke, aus der drei schneebedeckte Massive hervorragen: Mount Vancouver auf der Grenze zu Alaska, Centennial Peak und Mount Logan, mit 5959 Metern der höchste Gipfel des Landes.

DCIM101GOPROKaum ein Flecken hier wurde je von einem Menschen betreten.

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Die Passagiere schweigen andächtig. Nach einer Südkurve aber bricht David das Schweigen. “Nun”, sagt er, “werden wir über den Lowell Gletscher fliegen. It’s gonna be a little bumpy again.” Wir wissen inzwischen, dass der Mann nicht übertreibt.

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David geht runter bis ein paar Meter über die Eisfläche, die natürlich alles andere als glatt ist. Tiefe Furchen durchziehen das Eisfeld, das zu den größten seiner Art gehört, nichtarktische Gletscher, die auch im Norden Kanadas den Folgen des Klimawandels ausgesetzt sind.

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“Der Sommer”, erläutert David, “war sehr heiß. Mit Temperaturen über 30 Grad im Tal.” Die Erwärmung zeichnet sich an den Berghängen ab. Vor 100 Jahren noch war die Eisfläche 170 Meter dicker, ein kahler Kranz kundet vom einstigen Höchststand.

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DCIM101GOPROAuf dem Gletscher haben sich kleine Seen gebildet. Hellblaue Farbtupfer, mit denen die Mitreisende Adjektive wie “frisch” und “gesund” assoziieren. Bald folgt der wohl spektakulärste Anblick der kleinen Reise: Wir sehen die Abbruchkante zum Lake Alsek, einem stattlichen See, in dem Eisberge treiben. Auf mehr als 2000 Metern Höhe. Surreal.

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DCIM101GOPROAn die teils heftigen Auf- und Abwärtsbewegungen unseres Schuhkartons haben wir uns gewöhnt, als wir abermals dem mächtigen Delta des Alsek River folgen. Wir sehen kleine Inseln und Schlammmassen, die an das Wattenmeer erinnern. Als der Pilot sagt, dass wir noch rund zehn Minuten bis zur Landung haben, höre ich dennoch zwei Seufzer der Erleichterung über die Headsets. Mit bis zu drei Kameras in der Hand, kann die Tour ganz schön auf den Magen schlagen. Außer man heißt David, der sich munter Notizen macht.

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Mach ziemlich genau 75 Minuten und knapp 300 Kilometern haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. Und das Gefühl, einen Trip für die Ewigkeit gemacht zu haben.

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Die 75-Minuten-Tour ist buchbar bei Whitehorse Air. Sie kostet 300 kanadische Dollar pro Person.

Condor fliegt vom 1. Juni 2014 bis zum 21. September 2014 nonstop von Frankfurt nach Whitehorse, Yukon (etwa 150 Kilometer von Haines Junction)

Whitehorse Air

Travel Yukon

Condor

Canadian Tourism Commission

Kluane National Park (Seite von Parks Canada, kanadische Nationalparks)    

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Der Autor war auf Einladung des kanadischen Tourismusbüros CTC im Yukon.

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